Mallorca Philipp Rupp

CDR in der EU: Die Feedbackschleifen (3/3)

2. September 2025

Warum Nachfrage und Angebot entscheidend sind

Damit die dauerhafte CO₂-Entnahme in Europa skaliert, müssen Nachfrage und Angebot Hand in Hand wachsen. Nur wenn ausreichend verlässliche Nachfrage besteht, lohnt sich der Aufbau von Infrastruktur, Technologie und Geschäftsmodellen. Gleichzeitig braucht es ein glaubwürdiges Angebot, um Vertrauen in dauerhafte CO₂-Entnahme als Klimainstrument zu schaffen. Doch derzeit fehlen in der EU klare Signale auf beiden Seiten.

CO₂-Entnahme ist nicht einfach ein Produkt, das man in den Markt bringt. Es ist ein politisch geschaffenes Gut mit öffentlichen Klimavorteilen – ähnlich wie erneuerbare Energie. Deshalb braucht es einen systemischen Blick: Wie beeinflussen sich Marktmechanismen, Förderinstrumente und gesellschaftliche Erwartungen gegenseitig? Welche Feedbackschleifen entstehen – und wie können sie politisch gezielt aktiviert werden?

Herausforderungen: fragmentierte Märkte, zögerliche Nachfrage, unsichere Rahmenbedingungen

Nachfrageseite:
Heute fehlt es an langfristiger, verlässlicher Nachfrage für zertifizierte, dauerhaft wirksame CO₂-Entnahme. Der freiwillige Markt wächst, ist jedoch durch hohe Preisen und unklaren Nutzen geprägt. Im Compliance-Bereich, also dem gesetzlich regulierten Markt, spielt CO₂-Entnahme bislang kaum eine Rolle. Unternehmen, die CO₂-Entnahme kaufen möchten, tun dies meist aus Reputationsgründen – nicht als Teil eines regulatorischen Anreizes.

Angebotsseite:
Zwar entstehen zunehmend Start-ups und Pilotprojekte, doch ohne verlässliche Nachfrage können sie nicht skalieren. Investoren warten auf klare Signale, etwa über künftige Marktvolumina oder Preisentwicklung. Gleichzeitig bestehen hohe Unsicherheiten bei Infrastruktur, Genehmigungen, Zugang zu CO2-Speicherstätten und Standards. Das Risiko liegt bislang fast vollständig bei den Pionieren – ein Marktanreiz sieht anders aus.

Marktdesign und Policy:
Bisherige politische Instrumente schaffen keine systemische Verbindung von Nachfrage und Angebot. Fördermittel werden oft projektbasiert vergeben, ohne einen langfristigen Marktentwicklungspfad zu eröffnen. Es fehlt an koordinierten Politikinstrumenten, die Feedbackschleifen erzeugen – also Situationen, in denen zunehmende Nachfrage zu wachsendem Angebot führt, was wiederum Innovationen und Kostenreduktion auslöst und neue Nachfrage generiert.

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Der politische Status quo: erste Ansätze, aber kein echter Marktentwicklungspfad

Einzelne EU-Initiativen adressieren Elemente von Nachfrage oder Angebot, aber selten beides gemeinsam. Der Carbon Removal and Carbon Farming (CRCF) Zertifizierungsrahmen kann Vertrauen schaffen, doch ohne Verknüpfung mit politischen Nachfrageinstrumenten bleibt seine Wirkung begrenzt.

Auch Initiativen wie die Industrial Carbon Management Strategy (ICMS) oder das Net-Zero Industry Act (NZIA) verweisen auf die Bedeutung von CO₂-Entnahme, ohne jedoch konkrete Marktvolumina, Abnahmeverpflichtungen oder öffentliche Ausschreibungen zu benennen. 

Empfehlungen: Feedbackschleifen systematisch aufbauen

1. Nachfrage sichtbar machen:

  • Integration von dauerhafter CO₂-Entnahme in der EU-Klimagesetzgebung und nationalen Klimastrategien (z. B. NECPs)
  • Öffentliche Ausschreibungen für zertifizierte dauerhafte CO₂-Entnahme mit klaren Qualitätsanforderungen

2. Angebot fördern:

  • Förderung von First-of-a-Kind-Anlagen mit Marktanschluss
  • Aufbau von CO₂-Transport- und Speicherinfrastruktur
  • Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für dauerhafte CO₂-Entnahme-Pilotprojekte

3. Märkte gestalten:

  • Schaffung eines EU-weiten CO₂-Entnahme-Markts mit Mindestqualitätsstandards
  • Langfristige Integration von dauerhafter CO₂-Entnahme in den EU-Emissionshandel
  • Einführung regulatorischer Quoten für dauerhafte CO₂-Entnahme zum Ausgleich für schwer vermeidbare Emissionen

4. Systemisch denken – Entwicklungspfad statt Projekt:

  • Politische Maßnahmen aufeinander abstimmen
  • Innovationsförderung, Marktdesign und öffentliche Kommunikation verzahnen
  • Evaluierung der Policy-Wirkung anhand von Systemdynamik

Im EU-In- und Ausland sind bereits gezielte Initiativen entstanden, die als Inspiration dienen können:

  • Schweden hat ein Auktionssystem eingeführt, bei dem der Staat CO₂-Entnahme-Leistungen über Ausschreibungen fördert.
  • Dänemark fördert mit dem NECCS-Fonds gezielt die Entwicklung von Infrastruktur und Abnahmeverträgen.
  • Die Schweiz verankert CO₂-Entnahme in ihren nationalen Klimazielen.
  • Und in den USA setzt der Inflation Reduction Act (IRA) durch steuerliche Anreize starke Angebotsimpulse.

Die EU kann an diese Vorbilder anknüpfen und daraus ein eigenes, strategisches Marktdesign entwickeln.

Fazit: Die Zukunft liegt im Zusammenspiel der Marktkräfte

Dauerhafte CO₂-Entnahme wird sich nur dann durchsetzen, wenn Nachfrage und Angebot gemeinsam wachsen und politisch gezielt zusammengeführt werden. Es reicht nicht, einzelne Projekte zu fördern oder Zertifikate zu entwickeln. Entscheidend ist, dass sich Marktstrukturen mit lernenden Feedbackschleifen etablieren: Mehr Vertrauen erzeugt mehr Nachfrage, mehr Nachfrage ermöglicht mehr Angebot, mehr Angebot senkt Kosten und öffnet neue Anwendungen.

Die EU hat jetzt die Chance, diesen Markt intelligent zu gestalten. Nicht als Ersatz für Emissionsminderung – sondern als gezielten Beitrag zur Klimaneutralität.

Dieser Artikel basiert auf der Masterarbeit von Ole von Wendorff mit dem Titel „Scaling Up Permanent Carbon Dioxide Removal: Can Policies Unlock a Large-Scale Deployment in the EU?“, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verband für negative Emissionen (DVNE) verfasst wurde.

Open Publication

Scaling Up Permanent Carbon Dioxide Removal: Can Policies Unlock a Large-Scale Deployment in the EU?

Master Thesis by Ole von Wendorff, 2025